meHRsalz ist eine junge Unternehmensberatung, die Personalverantwortliche bei der digitalen Transformation unterstützt. Die Gründer wählten die besondere Rechtsform einer GmbH & Co. KGaA, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft auf Aktien. Das Ziel: Mitarbeitende auch an der Wertsteigerung des Unternehmens zu beteiligen. Ein Gespräch über Eigentum mit Co-Founder Philipp Hölzle.
Philipp, wie war das als Du 2020 mit Wolfgang Dörner die Unternehmens- und HR-Beratung meHRsalz gegründet hast: Inwiefern habt Ihr da schon die Beteiligung der Mitarbeitenden an einer möglichen Wertsteigerung des Unternehmens mitgedacht?
Ich war zwölf Jahre in der Beratung bei Kienbaum. Wenn man dort Partner ist, kann man sich nicht beschweren. Eine Partnereinlage ist toll – ein großartiges Sparbuch. Andererseits ist in der Zeit, als ich dort arbeitete, der Bereich HR-Consulting stark gewachsen – ohne dass ich von diesem Wertzuwachs profitiert hätte. Das hat mir damals schon zu denken gegeben. Als ich die Beratung HR Pepper mitgründete, war das Ziel von Beginn an, die Mitarbeitenden auch am Kapital der Gesellschaft zu beteiligen. Allerdings haben wir uns im Prozess zerstritten – als es darum ging, wie wir das mit dem Performance Management verzahnen und welche kulturellen Auswirkungen das hat, zum Beispiel auf die Hierarchie im Unternehmen. Mir war sonnenklar, beim nächsten Mal mache ich das grundlegend anders.
Ging es Dir um Fairness oder was war Dein Hauptgedanke dabei?
Es waren mehrere Gründe. Fairness ist wichtig, aber mir ging es in erster Linie um die Haltung, mit der ich auf meinen Arbeitgeber schaue und sicherlich auch um Bindung der Mitarbeitenden. Beteiligung am Unternehmen ist ein Bindungsfaktor. Wir Consultants gelten ja als sehr umtriebig und schnell mal die Flagge wechselnd. Außerdem wollte ich auch die Firmennachfolge sichern. Ich bin der Älteste im Unternehmen und überlege, wie lange ich noch Consulting mache.
Bei klassischen inhabergeführten Unternehmen profitieren Gründer:innen über das ganze Leben der Organisation von ihrer Ursprungsinitiative. Was ist die Gründungsidee und der Mut zu gründen aus Deiner Sicht wert?
Dieser Anfangsmut und der Wert der Idee relativieren sich über die Zeit. Außerdem haben wir meHRsalz zwar zu zweit gegründet, aber gleich mit vier Mitarbeitenden, also zu sechst, losgelegt. Die anderen vier wollten extrem gerne mitkommen. Sie waren von der Idee angefixt, aber vom Typ her nicht so die Gründer, die in vorderster Linie stehen wollten. Dennoch war uns allen wichtig, dass es eine gemeinsame Unternehmung wird und wir die Geschicke zusammen lenken. Hinzu kommt: Wir sehen New Work nicht als Beratungsprodukt, sondern als Haltung, die wir selbst leben. Das heißt, Ideen am eigenen Leib ausprobieren – was wir mit unserer New Pay Journey, dem Vergütungssystem, aber eben auch mit der Organisationsform tun.
Ihr seid eine GmbH & Co. KGaA, also eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft auf Aktien. Was ist das?
Das ist eine unter das Aktienrecht fallende Kapitalgesellschaft mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin. Der Vorteil für uns ist, dass wir die Anteile in Form von Aktien jederzeit verschieben können, ohne zum Notar rennen zu müssen. Allerdings ist die Rechtsform aufwändig: Man muss quasi zwei Firmen gründen, die GmbH, eine kleine Hülle, die nicht am Markt aktiv ist, und die KGaA. Eine weitere Hürde: Als Aktiengesellschaft muss man mindestens 50.000 Euro Stammkapitel mitbringen. Deshalb ist die GmbH & Co. KGaA in Deutschland nicht so weit verbreitet. Die Satzung ist nicht einfach und nur wenige Notare kennen sich damit aus. Wir hatten das Glück, dass mein Bruder Anwalt in dem Bereich ist. Inzwischen konnten wir auch schon zwei weitere Gründungen begleiten, die unserem Modell gefolgt sind.
Inwiefern profitieren die Mitarbeitenden von diesem Modell – und welche Mitspracherechte gewinnen sie dadurch?
Zunächst gibt es eine Mindestverzinsung von drei Prozent des Jahresgewinns auf den Nennwert der Aktien. Zuvor nehmen wir vom vorläufigen Ergebnis ein Drittel und verteilen es zu gleichen Teilen auf alle Mitarbeitenden, unabhängig von Rolle und Betriebszugehörigkeit. Diese Gewinnbeteiligung fließt somit noch in den Aufwand. Was mit dem restlichen Gewinn passiert, entscheiden wir in der Hauptversammlung, zu der wir aufgrund unserer Rechtsform verpflichtet sind. An der Hauptversammlung nehmen alle Mitarbeitenden teil, denn bei uns erhalten alle nach der kurzen Probezeit von drei Monaten eine Aktie, geschenkt.
Wie läuft die Hauptversammlung ab?
Da alle Mitarbeitenden Aktionär:innen sind, entscheiden sie auch alle mit – unter anderem über die Gewinnverwendung. Man stellt das Ergebnis fest, also wie viel übrig geblieben ist aus dem letzten Jahr. Davon spenden wir mindestens ein Prozent. Und dann können alle Vorschläge machen, wo wir uns sonst noch engagieren, wie viel wir als Sicherheit zurückhalten und wie viel wir an die Anteilseigner ausschütten.
Wie ist die Tendenz: Sind die Mitarbeitenden eher sicherheitsbedürftig oder risikoaffin?
Das ist alles noch ein Spielfeld. Wir haben ein sogenanntes „Wohlfühlgehalt“. Jeder soll ohne Geldsorgen gut über die Runden kommen – mithilfe des Grundgehalts und der schon beschriebenen Unternehmensprämie. Über die zusätzlichen Ausschüttungen als Dividende auf die Aktien freuen sich alle. Aber ich habe den Eindruck, dass das aktuell unser tägliches Wirken nicht so stark beeinflusst. Wir haben als junges Unternehmen eine relativ große Gewinnrücklage, um für schlechtere Zeiten gewappnet zu sein. Die Hauptversammlung und das Aktionärsdasein sind vor allem ein Lernen für uns alle: Wir können selbst erfahren, wie das funktioniert.
Kritisch diskutiert werden aber zum Beispiel Neueinstellungen: Sind wir alle der Meinung, dass eine neue Person dazu beiträgt, dass wir in Zukunft noch erfolgreicher sind? Leisten wir uns eine erste rein nach innen wirkende Rolle? Die Diskussionen darüber verlaufen anders, wenn alle sich für das Ergebnis verantwortlich fühlen.
Die Mitarbeitenden kriegen einmalig eine Aktie mit dem Nennwert von 100 Euro geschenkt. Inwiefern genügt das, um das Stammkapitel zu verteilen?
Wir haben ein Stammkapitel von 125.000 Euro – also 1250 Aktien zum Nennwert von 100 Euro. Am Anfang ist das Verteilen gar nicht so einfach, weil das Unternehmen selbst zunächst keine Aktien hält. Es darf nur aus dem geprüften Jahresgewinn eigene Aktien kaufen. Mittlerweile hält unser Unternehmen einige Aktien und kann die nach und nach an die Mitarbeitenden ausgeben. Zunächst ging das aber nicht. Da habe ich meine Aktien verkauft. Zwar haben anfangs alle Geld in die Gründung reingelegt, auch die Mitarbeitenden. Aber mein Anteil lag in der Startphase bei 96 Prozent. Mittlerweile bin ich bei etwa 74 Prozent und möchte das weiter reduzieren. So gibt es zumindest theoretisch eine Sperrminorität gegen mich. Wir hatten von Anfang an das klare Ziel, meine Anteile über die ersten Jahre neu zu verteilen und den internen Markt zu beleben.
Unternehmen als Eignerschiff:
Mitarbeitende zu Miteigentümer:innen machen - das hat sich Philipp Hölzle vorgenommen.
Ihr möchtet eine Art interne Trading-Plattform etablieren. Ist diese schon am Start?
Grundsätzlich ja, aber noch nicht in der Form, die wir haben wollen. Bisher ist alles noch Excel-basiert. Aber es gibt ein offenes Aktienbuch, wo jeder sehen kann, wer wie viele Anteile hält. Alle Transaktionen sind transparent, so dass alle wissen, zu welchem Preis die letzten Aktien den Besitzer gewechselt haben. Jeder kann jederzeit Aktien intern anbieten oder Kolleg:innen fragen, ob sie welche verkaufen. Als Beratung im Digitalisierungsumfeld wollen wir diesen internen Markt über eine Trading-Plattform-App aber noch einfacher machen.
Was sind die Aktien auf Eurem internen Markt inzwischen wert?
Bei der letzten Verkaufsrunde wurden sie für mehr als 300 Euro das Stück verkauft – das ergibt sich durch den Preis, zu dem jemand zu verkaufen bereit ist. In Bezug auf unsere Ergebniszahlen haben unsere Aktien aber bereits einen geldwerten Vorteil von mindestens 1.000 Euro. Wenn man das vorrechnet, fangen die Mitarbeitenden schon an zu überlegen: Das ist eine geniale Verzinsung – und wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange. Zum einen wachsen wir weiter und steigern dadurch den Unternehmenswert. Zum anderen haben wir jetzt den Fall, dass eine große Beratung sich gerne kapitalmäßig beteiligen möchte. Da diskutieren wir schon, zu welchem Preis wir bereit wären, Aktien auch nach außen abzugeben.
Eine externe Beteiligung wäre eine wegweisende Entscheidung…
Für diesen Fall haben wir ein Sonderkonstrukt: Es gibt auch stimmrechtslose Vorzugsaktien. Die sind etwas besser verzinst, aber haben kein Stimmrecht nach innen. Das brauchen wir zum einen für unsere Aufsichtsräte, die kein Stimmrecht haben dürfen, weil sie uns kontrollieren. So können wir sie trotzdem damit vergüten. Diese Option haben wir zudem für den Fall eingeführt, dass eben jemand von extern investieren möchte. Bei uns soll niemand Externes mitreden.
Das heißt, die Aktien mit Stimmrecht darf man nur halten, wenn man einen gültigen Arbeitsvertrag hat?
Ja, genau. Wer das Unternehmen verlassen möchte, sucht sich entweder vorher einen Käufer auf dem internen Markt, wandelt die eigenen Aktien in Vorzugsaktien oder wir ziehen die Aktien zu einer Einzugsvergütung ein.
Nach welchen Regeln lief die Entscheidung ab, ob jemand von extern einsteigen darf?
Wir treffen alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam in unseren Freitagsrunden. Das Thema kam so in die Belegschaft. Wir fragen da auch: Wer soll das weiter ausarbeiten? Wir haben ein Viererteam gegründet, das in die Kooperationsgespräche mit reingeht. In einem großes Retreat haben wir drei Tage lang über pro und contra abgewogen und die Eckpunkte definiert, unter denen wir bereit sind, das weiter zu verfolgen.
Dazu gehört sicherlich auch der Preis…
Wir haben gemeinsam einen Kaufpreis beschlossen, den wir pro Aktie mindestens aufrufen werden. Das ist ein anderer Betrag als intern, wir reden ja auch über andere Arten von Aktien. Aber der Preis ist nicht das Wesentliche, sondern die Rahmenbedingungen. Es ging vor allem darum, was wir davon haben, wenn sich eine große Beratung beteiligt. Wir könnten deren Ausbildungskapazitäten für unsere Erstausbildung für Berater:innen nutzen. Wir hätten etwas mehr Kapazitäten für Marketingaktivitäten, vor allem ergänzen wir uns aber sehr gut im Markt. Unser Name, unser Label und unser Logo – das steht nicht zur Disposition.
Was macht es mit den Mitarbeitenden, wenn sie Teil-Eigentümer:innen des Unternehmens sind? Zeigt sich ein stärkeres Verantwortungsgefühl?
Das ist ein Henne-Ei-Thema. Sind alle verantwortungsvoll, weil sie Eigentümer:innen sind? Oder zieht die Verantwortung Eigentum nach sich? Es ist einfach konsequent, weil wir das gesamte Unternehmen verantwortungsvoll denken. Es würde Störgefühle geben, wenn es an der Stelle einen Bruch gäbe. Aber ob wir eine große Beratung bei uns einsteigen lassen, ist intensiv diskutiert worden. Auch, wie es mit dem Unternehmen weitergeht, falls ich einmal aussteige. Das thematisieren wir intern – und da dürfen alle mitreden, nicht nur die Haudegen der Beratung, sondern auch die Youngster. In jeder anderen Beratung würde das der Inhaber im stillen Kämmerlein entscheiden und dann den Mitarbeitenden präsentieren – selbst wenn es ansonsten viel Partizipation und Selbstbestimmung gibt.
Euer Vergütungssystem und die Eigentumsverhältnisse – das ist nicht trivial. Inwiefern ist da eine Art Weiterbildung für die Mitarbeitenden nötig?
Das fängt schon im Recruiting an. Bewerber:innen das Modell zu erklären, braucht mehr Zeit als man das gewohnt ist. Aber es ist ein schönes Thema. Denn dabei kann man gut besprechbar machen, wie wir gemeinsam Entscheidungen treffen und das Unternehmen führen. Aber die Art und Weise, wie wir die Grundvergütung festlegen, ist für die Mitarbeitenden das Wichtigste. Wir haben dazu ein eignes Modell entwickelt, das sich am Planning Poker orientiert, einer Technik, mit der Teams gemeinsam ihre Aufwände schätzen.
Wie erklärst Du Dir, dass trotz der immensen Entwicklung des Aktienwertes die Mitarbeitenden vor allem auf das Grundgehalt schauen? Die Macht der Konventionen?
Das hat sicher damit zu tun, was Menschen mit dem Gehalt verbinden. Die meisten definieren den Wert ihrer Arbeit eben vor allem über das Monats- oder Jahresgehalt. Daran misst man sich gedanklich. Eigentum ist für die meisten noch weit weg. Das ist immer noch sehr ungewohnt für viele, die neu bei uns reinkommen. Aber so langsam lernen wir, auch darüber zu sprechen.
Über die Autorin
Stefanie Hornung liegt nachhaltiges Management und Vergütung am Herzen. Ob im Newsletter "Gehaltvolle Zeilen" oder auf dem Blog - sie greift aktuelle Themen der Arbeitswelt auf und komponiert Geschichten mit Tiefgang.
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