Alle Jahre wieder formulieren Medien, Beratungen & Co ihre Trends für die Zukunft. Da machen wir vom New Pay Collective jetzt auch mit. Wir haben die Köpfe zusammengesteckt und überlegt, was Unternehmen aus unserem Umfeld gerade bei ihrer New Pay Journey beschäftigt – und was in 2023 auch anderswo aufpoppen dürfte. Ein Werkstattbericht mit Zukunftsblick.
1. Transparenz goes Nachvollziehbarkeit
Wie viele Bücher, Blogs und Events es zu dem Thema Geld inzwischen gibt! Natürlich freut uns das, wir möchten schließlich das Gehaltstabu brechen. Doch Vorsicht: Man kann auch über Geld reden, ohne die echten Tabuthemen anzupacken. Soll heißen: Oft bleiben solche „Gespräche“ an der Oberfläche und gehen nicht ans Eingemachte, nämlich zum Beispiel an die Fragen, wie wir Geld in Organisationen verteilen.
Gehälter in Stellenanzeigen, Veröffentlichung der Gehälter aller Mitarbeitenden im Unternehmen oder transparente Gehaltsbänder – das kann sinnvoll sein, geht aber oft am eigentlichen Painpoint vorbei: dass Beschäftigte nicht verstehen, wie Vergütungssysteme funktionieren. Transparenz könnte so viel mehr sein: ein Instrument, um Mitarbeitenden begreiflich zu machen, welche Überlegungen und Ziele in der Vergütung stecken. „Nachvollziehbarkeit“ ist deshalb das Zauberwort. Sie entsteht vor allem in gemeinsamen Aushandlungsprozessen, in denen Beschäftigten sich im systemischen Blick der Organisation üben. Spoiler-Alarm: Der New Pay Report 2023 beschäftigt sich genau mit dem Thema.
2. (Gender-)Pay-Gap-Analyse
Der aktuelle Transparenzimperativ bringt vielerorts den „Gender Pay Gap“ auf die Agenda. Eigentlich kein neues Thema. Neu ist der Druck von allen Seiten. Das Entgelttransparenzgesetz gilt bisher als zahnloser Tiger gilt. Das Auskunftsrecht wird selten genutzt. Und wenn doch: Wer klagt schon gegen den eigenen Arbeitgeber, selbst wenn die Lücke offenbar wird? Lieber geht man stillschweigend. Dennoch hat das Gesetz Auswirkungen. Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten sind aufgefordert, ihre Entgeltregelungen, die gezahlten Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung regelmäßig dahingehend zu überprüfen, ob es einen Gap gibt. Da mag man sich so lange durchwinden, bis der Betriebsrat genauer hinschaut und nachrechnet. Spätestens wenn die EU-Transparenzrichtlinie kommt und auch in die deutsche Gesetzgebung überführt werden muss, steht das Thema an. Abwarten könnte fatal sein: Denn den Gap zu schließen, gelingt den wenigsten Organisationen von heute auf morgen. Manchmal ist es eine Angelegenheit von Jahren.
New-Pay-Unternehmen gehen das Thema proaktiv an und warten nicht, bis sie verklagt werden. Zunächst ist die Frage, wie sie überhaupt den Gender Pay Gap oder andere Gaps bezogen auf Diskriminierungsmerkmale wie Herkunft oder Alter ausrechnen können. Mit New Pay haben Unternehmen die besten Voraussetzungen, diese zuverlässig zu ermitteln: Wenn sie etwa in einem partizipativen Prozess ein Grading durchgeführt haben und klar ist welche Funktionen sie vergleichen. In unserer New-Pay-Werkstatt arbeiten wir deshalb an einem "Pay-Gap-Tool", das in den ersten Unternehmen pilotiert wird.
3. Nachhaltiges Performance Management
In vielen Unternehmen ist ein Weckruf angekommen: Wenn wir die Erde als Lebensraum erhalten möchten, ist eine andere Form des Wirtschaftens vonnöten. Diversity, Menschenrechte, zukunftsfähige Prozesse und langfristige (Kunden-, Lieferanten-)Beziehungen – auch all das steckt in Nachhaltigkeit. Ansprechend gestaltete Nachhaltigkeitsberichte allein werden in Zukunft nicht mehr viel nützen. Es kommt auf den Impact an. Dafür gilt es, die eigenen Anreizsysteme dahingehend zu überprüfen, ob sie wirklich Nachhaltigkeit fördern oder nicht gar durch die Hintertür bestraft wird.
Wer nachhaltig agieren will, muss alles, was im Performance Management so üblich ist, in Frage stellen. Denn bisher hat sie sich an rein ökonomischen Kennzahlen orientiert. Was wirkt, was nicht? Es gibt keine Blaupause, aber viele Einflussparameter. Die Gefahr besteht, Vergütungssysteme noch komplizierter zu machen – und damit noch unverständlicher. Nur mit visionärem Blick, partizipativ und mit Raum für gesunden Menschenverstand kann nachhaltiges Performance Management gelingen. Mehr dazu findest Du auf unserem Campus bei unserem Format “Nachhaltiges Performance Management”.
4. Umgang mit Inflation
Die gute Nachricht zuerst: Die Inflation ist wieder gesunken. Die schlechte: Leider nur von 10,4 auf 10 Prozent. Aktuelle Prognosen wichtiger Institutionen sehen auch 2023 noch nicht so recht Licht am Ende des Tunnels. Und selbst wenn die Inflation leicht sinkt: Die hohen Verbraucherpreise bleiben. Unternehmen können nicht ewig untätig zuschauen und abwarten, wie sich die Sache entwickelt. Deshalb glauben wir: In 2023 wird uns der Umgang mit Inflation noch einmal stark beschäftigen.
Mit der Inflationsausgleichsprämie hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, um Unternehmen dabei zu unterstützen: Zusätzliche Zahlungen an Mitarbeitende sind bis zu einer Höhe von 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben befreit – bis 31. Dezember 2024. Doch wie genau sollte man das Instrument einsetzen? Wie viel Prozent Gehaltserhöhung sind angemessen? Was tun, wenn man sich das nicht leisten kann? Welches Timing ist passend und wie kann man die Auszahlungen am besten staffeln? Welche Alternativen gibt es zu Lohnerhöhungen? Wir schaffen Austauschmöglichkeiten zu diesen Fragen und bieten New-Pay-Impulse zum Umgang mit Inflation.
5. Prozesssicherheit in unsicheren Zeiten
Geht es Euch auch so, dass Ihr manchmal vor lauter Lärm gar nicht mehr wisst, was eigentlich wichtig ist? Great Resignation, Quiet Quitting, Quiet Firing oder Shrinkflation – müssen wir uns damit beschäftigen? Oder lenken uns neue Buzzwords nicht vielmehr von dem ab, was wirklich zählt? Wir stellen fest, dass die Reizüberflutung nicht nur medial bedingt ist. Gerade in unsicheren Zeiten neigen viele Menschen zu Aktionismus. Noch ein Projekt, noch ein Auftrag – sicher ist sicher. Überall dabei sein, um nur nichts zu verpassen. Das eigentliche Problem ist jedoch oft die fehlenden Vorhersagbarkeit und mangelnde Priorisierung.
Auch die Vergütung ist betroffen: In vielen Branchen lassen sich aktuell kaum zuverlässig Umsatz- und Budgetvorhersagen treffen. Doch wir sehen in unserem Umfeld, dass klare Strukturen und Prozesse Sicherheit vermitteln und Fokus schaffen. Wer zum Beispiel Gehaltsstufen definiert, muss Entscheidungen treffen, welche Kriterien wichtig sind. Damit kann man planen, What-if-Szenarios aufbauen und sie offen kommunizieren. Klingt nicht nach New Pay? Doch, solange die Entscheidungsprozesse partizipativ laufen, zum Beispiel in einem Freiwilligenprojekt – Stichwort „New Grading“.
6. Vergütungskommunikation: Sag’s mit New Pay!
Oft läuft es so: Unternehmen setzen ein Projekt auf und wenn alles klar ist, hängen sie die Kommunikation an. Dann ist oft schon das Kind in den Brunnen gefallen. „Man kann nicht nicht kommunizieren“, sagte Paul Watzlawick. Schon wenn im Raum steht, dass sich an der Vergütung etwas ändern soll, muss Vergütungskommunikation starten – und laufend weitergehen, auch in Momenten, in denen scheinbar wenig geschieht. Denn gerade, wenn es um Vergütung geht, gilt: Es wird immer darüber geredet. Ohne Informationen spekuliert man eben. Wer, wann, was, wie an wen kommuniziert ist entscheidend. Und Wording und Ton passend zur Kultur. Sonst kommt nicht immer das an, was man zu senden glaubt.
Mit zunehmender Transparenz steigt auch der Kommunikationsbedarf. Wenn Gehaltsinformationen öffentlich werden, braucht es Kontext, um sie einzuordnen. Das heißt, dass auch Führungskräfte mehr Vergütungswissen brauchen, um überhaupt auskunftsfähig zu sein. Nur wenn sie sich über die Grundgedanken im Klaren sind, können sie diese auch weitergeben. Wir haben auf Basis dieser Überlegungen ein New-Pay-Modell für Vergütungskommunikation entwickelt. Auf dem New Pay Campus könnt Ihr es beim Impuls Impuls „Vergütung kommunizieren” kennenlernen. Denn ohne gelungene Kommunikation bringt das beste Vergütungssystem nichts.
7. Attraktivitätsfaktor Fairness
Und abschließend haben wir da noch die Frage, wie fair das eigentlich alles ist. Ihr habt es sicher schon einmal von uns gehört: Fairness ist relativ. Denn gefühlte Gerechtigkeit liegt immer im Auge des Betrachters oder der Betrachterin. Es kann sich gerecht für mich anfühlen, wenn ich deutlich mehr verdiene als meine Kolleg:innen – weil ich mich doch mehr reinhänge, mehr Ausgaben habe oder meine Kompetenzen besonders gefragt sind. Meine Kolleg:innen könnten das anders sehen. Größtmögliche Fairness entsteht deshalb unserer Erfahrung zufolge in partizipativen Aushandlungsprozessen, in denen es nicht nur um die Verteilung des Kuchens, sondern auch um das Vergütungsverfahren geht.
Genau das steckt in New Pay! Und damit liegen wir im Trend. Die Februar-Ausgabe 2023 des Personalmagazins setzt seinen Schwerpunkt auf Gerechtigkeit. Fairness rückt in der Agenda von Personalverantwortlichgen nicht ohne Grund nach oben. Denn wenn es Arbeitgebenden gelingt, eine hohe gefühlte Gerechtigkeit herzustellen, ist das ein Attraktivitätsfaktor.
Über die Autor:innen
Das New Pay Collective besteht aus Menschen, die sich in Organisationen oder als Organisationsbegleiter:innen dafür einsetzen, New Pay bekannter zu machen. Gemeinsam reflektieren und entwickeln wir Vergütungssysteme weiter.
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